Frau Dr. Boll, können Sie uns die Nachhaltigkeitsstrategie von HEIDELBERG kurz vorstellen?

Sie umfasst alle drei Säulen – Umwelt, Soziales und Governance – und formuliert ehrgeizige Ziele. Wir möchten über die Gesamtwertschöpfungskette hinweg das Unternehmen mit dem geringsten ökologischen Fußabdruck der Branche werden. Dafür planen wir an unseren Standorten in zwei Stufen zur Klimaneutralität zu gelangen: bis 2030 noch mit und ab 2040 ohne Zukauf von Emissionszertifikaten. Dafür setzen wir systematisch Maßnahmen zur Senkung unseres Primärenergie- und Strombedarfs um, kaufen zukünftig grünen Strom zu und nutzen zunehmend selbsterzeugte erneuerbare Energie. Letztes Geschäftsjahr konnten wir unseren CO2- Ausstoß so standortübergreifend um 28 Prozent senken und zudem unseren Wasserbedarf und unser Abfallvolumen reduzieren. Wir belassen es nicht bei den Scope-1- und Scope-2-Emissionen der eigenen Standorte, sondern nehmen auch wertschöpfungsübergreifend Scope-3-Emissionen in den Blick. Jüngst haben wir den Status quo ermittelt, formulieren nun Reduktionsziele und erarbeiten eine Vision für eine ESG-konforme Lieferkette, die neben Umwelt- und Klimabelangen auf die Menschenrechte und Ethik achtet.

 

Steht ESG-konformes Handeln im Widerspruch zum wirtschaftlichen Erfolg?

Wir sehen hier keinen Widerspruch. Viele Studien und Analysen belegen, dass Unternehmen mit gutem Nachhaltigkeitsmanagement besser performen. Sie setzen Ressourcen effizienter ein und das Nachhalten von Nachhaltigkeitszielen ist eine Form des langfristigen, über den üblichen Dreijahreshorizont hinausweisenden Risikomanagements. Nachhaltig agierende Unternehmen sind resilienter. Es ist aber auch klar, dass die Umsetzung der gesetzlichen Nachhaltigkeitsanforderungen erst einmal Geld kostet und nachhaltiges Handeln sorgfältig gemanagt werden muss.

Es gilt, den Einsatz von Papier, Verbrauchsmaterial und Energie für Druck und Trocknung zu optimieren.

Wo setzen Ihre ESG-Maßnahmen an – und haben sie sich verändert?

Ein Handlungsfeld ist die Erzeugung von Solarstrom. Aktuell nehmen wir an unserem Gießereistandort in Amstetten eine Photovoltaik-(PV-)Anlage mit 3,6 Megawatt Spitzenleistung (MWp) in Betrieb, die immerhin fünf Prozent des Energiebedarfs der Gießerei deckt. Insgesamt haben wir nun 4,3 MWp installiert und planen den weiteren PV- Ausbau. Darüber hinaus haben seit über 20 Jahren ein Umweltmanagementsystem, können auf langjähriger Praxis in Arbeitssicherheit und Gesundheitsvorsorge aufbauen und richten unser Handeln immer stringenter auf Nachhaltigkeitsziele aus – sei es durch abge- senkte Raumtemperaturen, optimierte Fertigungsprozesse, systematische Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in unsere Maschinenentwicklung oder die Beratung unserer Kunden im Sinne einer energetisch und ökologisch optimierten Nutzung unserer Produkte. Infolge der Beratung und Prozessoptimierung sparen sie oft einige zehntausend Papierbögen samt Druckfarben und dem Energieeinsatz von Druck und Trocknung. Solche Potenziale gilt es zu heben . Dafür müssen im ersten Schritt Verbräuche und Einsparpotenziale transparent gemacht werden. Weitere Veränderungen basieren auf dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG): Wir erhöhen auch hier die Transparenz und etablieren neue ESG-konforme Prozesse. Der Weg führt über Schulungen, einen gemeinsamen Verhaltenskodex und die klare Kommunikation unserer Erwartungen.

 

Welche Herausforderungen sind mit Blick auf die Kreislaufwirtschaft zu lösen?

Das Ziel ist der schonende Umgang mit Ressourcen, die es möglichst lange im Kreislauf zu führen gilt. Ein Ansatz ist die Langlebigkeit unserer Produkte, die durch guten Service in der Regel ein zweites und drittes Leben haben.

Als Herausforderung sehe ich die Transformation der Geschäftsmodelle: Weg vom reinen Besitz der Maschinen hin zu Pay-per-Outcome-Geschäftsmodellen. Wir garantieren eine bestimmte Druckleistung und sorgen dafür, dass diese mit minimiertem Ressourcen- einsatz und optimierten Prozessen erreicht wird. An solche Modelle müssen sich die Märkte erst noch gewöhnen.

Dr. Eva Boll mit ihrem Nachhaltigkeitsteam: Tobias Schweinfurth, Mikhail Kaptsov, Andreas Hartmann (von links)

Brauchen Sie für das immer komplexer werdende Nachhaltigkeitsmanagement neue Systeme?

Wir bauen auf etablierten Systemen aus unserem Umwelt- und Qualitätsmanagement auf, schaffen aber zusätzlich neue Prozesse und Strukturen. So ist unsere Nachhaltigkeitsstrategie auf oberster Führungsebene verankert. Ich berichte direkt an unseren CEO, Dr. Ludwin Monz und auch im neuen ESG-Council, das die Nachhaltigkeitsstrategie der Gruppe steuert, wirkt die Konzernleitung direkt mit. Das ist wichtig für den Bewusstseinswandel im Unternehmen und bei unseren externen Partnern.

 

Sie haben jüngst den Non-Financial Report 2022/23 veröffentlicht. Wie aufwendig ist so ein Bericht?

Der Aufwand ist erheblich, obwohl wir schon seit einigen Jahren zum Non- Financial-Reporting verpflichtet sind – also schon eine gute Datenbasis für das ESG-Reporting haben. Dennoch ist es herausfordernd, Daten aus unterschiedlichsten Quellen zusammenzutragen, konsistent und prüfungssicher aufzubereiten und im Report sinnvoll zu kontextualisieren. Ein gestiegenes Abfallvolumen kann etwa auf Bautätigkeiten – oder ein Mehrverbrauch an Energie auf einen harten Winter zurückgehen. Im Sinne der Vergleichbarkeit müssen solche Effekte einbezogen werden.

Auch in der Ausbildung bei HEIDELBERG sind die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit fest verankert.

Haben Sie etwas gelernt, was anderen berichtspflichtigen Unternehmen helfen könnte?

Dass man keine Angst vor dem Reporting haben und eher früher als später beginnen sollte. Die erhobenen Daten schärfen den Blick auf das eigene Unternehmen und zeigen Potenziale auf, Ressourcenverbräuche, Prozesse und damit letztlich Kosten zu optimieren. Teils wird erst bei der konkreten Umsetzung klar, welche Daten verfügbar und welche schwierig zu beschaffen sind. Ratsam ist zu klären, zu dokumentieren und an die jeweils beteiligten Abteilungen zu kommunizieren, welche Daten wozu dienen. Es hat sich auch als sinnvoll erwiesen, die Prüfer früh ins Boot zu holen.

 

Ist das ESG-Reporting eher eine lästige Pflicht oder eine Hilfe beim Formulieren und Umsetzen Ihrer Ziele?

Das Reporting ist der zweite Schritt. Es führt zusammen, was als Basis des Nachhaltigkeitsmanagements ohnehin benötigt wird. Auf Grundlage der Statusanalyse lassen sich Ziele formulieren und die Fortschritte eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses messen. Der ESG-Report ist ein Vehikel, um Beschäftigte und externe Partner bei diesem Prozess mitzunehmen. Im Kern geht es um eine Transformation, die die Resilienz unserer Unternehmensgruppe langfristig stärken wird.

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